Ein Sommerabend, den wir nicht vergessen werden
Es war früher Abend, Ende Juli. Ein leichter Sommerschauer hatte begonnen, doch niemand hätte ahnen können, dass diese extremen Wassermassen in wenigen Minuten unser Leben auf den Kopf stellen würden. Linda und ich waren gerade dabei, die letzten Dinge für den Abend zu erledigen, als der Regen plötzlich stärker wurde. Zunächst war es nur ein Trommeln auf den Fensterscheiben, dann ein Tosen, das selbst durch die geschlossenen Fenster drang. Es regnete wie aus Kübeln, und ich wusste: Wir müssen nachsehen.
„Lass uns in den Keller gehen“, sagte ich. In den Tagen zuvor hatten wir nach jedem Regenschauer eine nasse Waschküche vorgefunden. Es war uns ein Rätsel, woher das Wasser kam. Vielleicht konnten wir es dieses Mal herausfinden, bevor es wieder passierte. Also stiegen wir die Treppe hinunter, bereit, die Ursache zu suchen – oder das glaubten wir zumindest.
Doch was wir fanden, war nicht nur ein nasser Boden. Aus den Abwasserrohren drangen bereits die ersten Tropfen, fast als wollten sie uns warnen. Draußen regnete es in Strömen, und es schien, als hätte der Himmel beschlossen, uns mit all seiner Macht zu testen. Plötzlich, wie aus dem Nichts, ein dumpfes Rauschen von oben. Ein Geräusch, das uns beide in Schockstarre versetzte. Es war das Geräusch von Wasser, das dort nicht sein sollte.
Wir stürmten die Treppe nach oben, und was wir sahen, ließ uns den Atem stocken. Die extremen Wassermassen strömten wie eine unkontrollierbare Flut aus der Dusche, und aus der Toilette schossen sie wie eine Fontaine nach oben. In wenigen Sekunden stand das gesamte Badezimmer unter Wasser. Wir suchten verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Abflüsse zu verschließen, aber nichts half. Das Wasser kam mit einem Druck, gegen den wir machtlos waren.

In Panik lief ich zurück in den Keller, um eine Tauchpumpe zu holen. Doch das Wasser war schneller als ich. Es bahnte sich bereits den Weg die Treppe hinunter. Als ich wieder oben war, sah ich, wie es sich unaufhaltsam ausbreitete – ins Wohnzimmer, ins Büro. Links, rechts, überall. Der Boden war von einer 4 bis 6 Zentimeter hohen Schicht Wasser bedeckt, obwohl es die Treppe hinunterlief. Die Pumpe? Ein nutzloses Werkzeug gegen diese Wassermassen.
Während ich mit der Pumpe versuchte, das Wasser im Badezimmer zu reduzieren, kam mir ein Gedanke. Vielleicht könnte ich die Badezimmertür schließen und das Wasser darin einsperren. Doch der Plan war gefährlich. Wenn der Druck zu groß würde, könnte die Tür blockiert werden. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn ich in diesem Badezimmer gefangen wäre – die extreme Wassermasse weiter anstieg und ich nirgendwohin könnte. Ertrinken im eigenen Zuhause. Ein absurdes, aber zugleich erschreckendes Bild, das mich davon abhielt, den Gedanken weiterzuverfolgen.

Ich hatte Angst. Eine furchtbare Angst. Doch ich versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren, obwohl ich spürte, wie die Panik in mir wuchs. In meinem Inneren rechnete ich bereits damit, dass die Wassermassen alles zerstören würden – unsere Möbel, viele Erinnerungen. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf. Ich fühlte eine große Hilflosigkeit, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Und gleichzeitig sah ich Linda an, meine Frau, die ebenso ratlos war. Sie wusste nicht, wie wir uns verhalten sollten. Wir waren beide so hilflos in diesem Moment, dass es beinahe wie eine zweite Flut war – eine aus Verzweiflung.
Linda rief die Feuerwehr, die nach 20 Minuten eintraf. Das Wasser hatte in dieser Zeit bereits den Keller übernommen. Es füllte die Räume und blieb dort, als wolle es uns verhöhnen. Unsere Tauchpumpe in der Waschküche arbeitete, so gut sie konnte, aber gegen die Fluten aus dem Abwasserkanal war sie machtlos. Draußen hatte der Regen in weniger als einer halben Stunde über 100 Liter pro Quadratmeter niedergehen lassen – ein schier unvorstellbares Szenario. Zum Vergleich: Im Ahrtal fielen während der Hochwasserkatastrophe 2021, 95 Liter Regen pro Quadratmeter in 24 Stunden – bei uns waren es 100 Liter in weniger als einer Stunde.

Die Abwasserkanäle der Straße konnten nichts mehr aufnehmen. Stattdessen drückte das Wasser zurück in die Häuser. Unsere Nachbarn merkten erst durch die Sirenen der Feuerwehr, dass etwas nicht stimmte. Viele standen noch in ihren Hauseingängen und fragten sich, was los war. Bei einem unserer Nachbarn war die Badezimmertür geschlossen, und da sich die Familie in einer höheren Etage aufgehalten hatte, bemerkten sie die Katastrophe erst spät. Das Wasser konnte sich ungehindert im Badezimmer sammeln und stieg auf etwa 1,50 Meter an – gerade genug, um über die Lichtschalter in die Leerrohre zu fließen. Erst als ihre Sicherungen explodierten und der Verteilerkasten in Brand geriet, wurde ihnen das Ausmaß des Schadens bewusst.

Nachdem das meiste Wasser bei uns abgepumpt war, konnten wir den Nachbarn helfen. In allen Häusern war der Strom inzwischen ausgefallen. Dank unserer Photovoltaikanlage hatten wir eine Notstromversorgung. Wir gaben unseren Nachbarn Strom und halfen so, ihre Pumpen zu betreiben. Selbst die Feuerwehr nutzte unsere Kabeltrommel, denn ihr Notstromgerät war defekt. Ein Feuerwehrmann versuchte, es mit einem Seil wie bei einem Benzinrasenmäher zu starten, doch das Seil riss beim ersten Versuch. Fassungslos standen die Einsatzkräfte vor dem kaputten Dieselgenerator. Ich lief ins Haus, holte eine Kabeltrommel und gab sie ihnen. Unsere Notstromversorgung half, die schlimmsten Schäden zu begrenzen.
Am Ende war fast die gesamte Straße betroffen. Ein Unwetter, das nur wenige Minuten andauerte, hatte unser Leben für ein Vierteljahr in einen Albtraum verwandelt. Der Schaden: 25.000 Euro. Wir hätten niemals mit so einem Wasserschaden gerechnet, schließlich wohnen wir auf einem Hügel, in einer höher gelegenen Straße. Ein Hochwasser hätte zuvor zahlreiche andere Ortschaften locker 30 Meter unter Wasser setzen müssen, bevor es uns erreichen könnte. Aber dieses Szenario hat uns eines gelehrt: Der Klimawandel bringt extreme Ereignisse, die selbst an unerwarteten Orten einschlagen.
Ich habe gelernt, dass wir uns durch den Klimawandel auf viele solcher Ereignisse einstellen müssen. Diese Extreme werden häufiger, und wir müssen lernen, damit zu leben. Wir müssen uns schützen und anpassen, so gut es geht. Aber ich weiß auch, dass wir nur einen kleinen Teil kontrollieren können – der Rest bleibt unberechenbar. Die in unserer Ortschaft erlebten Regenmassen waren nicht nur eine Laune der Natur – sie waren eine Erinnerung daran, wie klein wir Menschen gegenüber den Kräften der Erde sind. Innerhalb weniger Minuten fielen 100 Liter Wasser pro Quadratmeter, eine Menge, die weit über das hinausgeht, was als „extremer Starkregen“ definiert wird. Es war, als hätte der Himmel all seine Zurückhaltung aufgegeben. Experten des Wetteramts sprechen von einem besorgniserregenden Trend: Starkregenereignisse wie dieses werden durch den Klimawandel immer häufiger. Wärmere Luft speichert mehr Feuchtigkeit – eine einfache Tatsache, die zu immer verheerenderen Unwettern führt. Während wir mit den Folgen kämpften, blieb die Erkenntnis, dass wir auf zukünftige Ereignisse besser vorbereitet sein müssen.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie so etwas nie erleben müssen. Auch wenn unser Unglück, verglichen mit anderen Katastrophen, wie ein Tropfen in der Flut erscheint, so reicht es doch, um das Leben für eine lange Zeit aus den Angeln zu heben. Bleiben Sie wachsam – und trocken.
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